MEDIA

PETER BALDINGER – DER REPORTER UNSERER ZEIT UND SEINE BILDERFALLEN 

Die Geschwindigkeit in der sich die Medien, ihre Strukturen, Informationsauswahl und Reichweite ändern ist seit einigen Jahren schon atemberaubend. Wir werden im Moment von neuen Realitäten überholt, sei es KI, der politische Gebrauch und Missbrauch der New Media, deren Janusgesicht in ihrer Undurchschaubarkeit immer offensichtlicher wird. „Reality TV“ als „Reality“ in Politik und Gesellschaft?

Insofern sind inzwischen die Werke Baldingers nicht mehr – wie noch vor wenigen Jahren -decouvrierend, sondern heute fast schon beruhigend, da sie noch lesbar sind und der Grad der Irritation nicht zu einer Täuschung, sondern zu einer Aufklärung, einer Lösung führt. Feindbilder und Idealbilder können geschaffen und manipuliert werden – und Peter Baldingers Bilder stellen die Frage: Nehmen wir das eigentlich noch wahr?

Viele der Anwesenden sind mit all diesen Intentionen und Auseinandersetzungen, den Themen in Balingers Werken, schon lange vertraut. Daher möchte ich weniger die Eigenart der Verfremdung, als vielmehr den Grund für die Faszination, die seine Werke auf mich immer wieder ausüben, ein wenig erläutern und so hoffe ich auch seine Intentionen erhellen.

Hier kommen wir schon zum Kontrast zwischen scheinbarer technischer Rasterung und der damit einhergehenden Veränderung von „REALITÄT“. Ein durchgängiges Thema Baldingers, bei den Riffelglasscheiben beginnend und über die Pixelbilder immer weiterführend. „Realismus und Realität“ sind aber grundsätzliche Begriffsprobleme im philosophischen und insbesondere im kunsthistorischen Bereich. Der Realismus eines Ferdinand Georg Waldmüller, ist nicht der des Fotorealismus oder der des sozialistischen Realismus, sondern letztlich immer nur eine Interpretation von Realitäten.

Solche Realitäten verarbeitet Baldinger immer wieder, seien es dabei historische oder tagesaktuelle Ereignisse oder ikonische Persönlichkeiten wie Beethoven oder der Popkultur entnommene Persönlichkeiten wie Taylor Swift. Diese Individuen, die für viele von uns ein Vorbild oder ein Idealbild abgeben, werden damit ohnehin schon ihrer artifiziellen Existenz enthoben und künstlerisch interpretiert.

Nicht provokativ widerständig, aber auch nicht sich anpassend, sondern zu Reflektion auffordernd sind Baldingers Werke, wie die temporäre Installation in der „Adlerstiege“ der Hofburg, dem repräsentativen Aufgang zur Präsidentschaftskanzlei oder seine in ganz Wien plakatierte Stellungnahme zur Realität in den neuen Medien: „fake news“ die Beispielsweise Putin mit den Putin Gegnern der Popgruppe Pussyriot verbanden. Baldinger verwendet zur Herstellung einer homogenen Grundlage das technische Mittel der Rasterung, das diese Widersprüchlichkeit ikonischer Personen und Zusammenhänge zulässt.

In Werken wie „Papergun“ setzt Baldinger die Irritation, durch das Material Papier und die Aufspaltung der Pistole in Fragmente ein. In regelmäßigen Abständen hängende Papierblätter, deren Form dem jeweils entsprechenden Querschnitt der Pistole folgen ergeben nur in bestimmten Ansichten die erkennbare Gestalt einer Pistole. Den Inhalt, einer Gewalt repräsentierenden Pistole, setzt er gegen das Material Papier, welches, wenn es mit Schrift versehen wird, die fragile Grundlage menschlicher Reflektion bildet. Zweidimensionales Papier und skulpturale Form, Fragilität und Symbolgehalt werden gegeneinander gesetzt.

In der Materialsensibilität Baldingers wird aber auch deutlich, dass seine Werke zwar häufig auf inhaltlichen Bezügen aufbauen, aber die empirische Erkundung, der künstlerischen Möglichkeiten, ihre materiellen und handwerklichen Umsetzungen, das Gegengewicht bilden. Seine Auseinandersetzungen mit historischen Vorbildern, die von Tintoretto, dem hier in der Galerie Dantendorfer gezeigten Totentanz, bis hin zu künstlerischen Giganten wie Picasso oder deKooning reichen belegen dies. Der künstlerischen Aneignung und Verfremdung von deren Werk, die malerische Qualität die deren Werk zeigt und die in Baldingers Interpretationen ebenso zu finden ist, zeichnet sein gesamtes Schaffen aus. Das Aquarell und die Eitempera bilden oftmals Baldingers Ausgangspunkt. Selbst die quadratischen Pixel unterliegen dieser Handwerklichkeit, deren Farbauftrag vom Künstler variiert wird. Die Linie und Fläche in seinen frühen Diffusion Bildern, sind maßgebliche Ausdrucksträger, die in seinen Pastellen zu deKooning erneut im Werk auftreten. Während jedoch bei den frühen Diffusion Paintings eine Verfremdung durch Riffelglas entsteht, beschreiben die Werkreihen zu Picasso und deKooning eine Metamorphose in Werke Baldingers. Der malerische Anspruch Baldingers dokumentiert sich hierin markant. 

Die Verbindung von Materialästhetik, Inhaltlichkeit und eines Realismus zeigte sich dabei immer wieder in Baldingers Interventionen beispielsweise in dessen Beethovenbeet im Kammergarten des Belvedere in dem er Karl Stielers Beethovenporträt gepixelt mit bunten Violen in einer Banquette anpflanzen lies oder anhand seiner Diffusion Cubes die in Pückler-Muskaus Wörlitzer Park die Landschaft verfremdeten, als Kuben mit großen gewellten Spiegelflächen die gleichzeitig reflektierten oder sein Sky of Stones zur Fastenzeit 2019 im Stephansdom dessen Papiersteine den gothischen Kirchenraum plastisch gestalteten und bedrohlich über dem Besucher zu schweben schienen.

Hier verbinden sich Materialästhetik und Inhaltlichkeit widerspruchslos.

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