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DIE AUFLÖSUNG DES HISTORIENBILDES

Als Eingriff in eine bestimmte vorgegebene Situation wird die Intervention im Allgemeinen verstanden. Und damit im weiteren Sinne auch als Behauptung. Das ist im besten Fall, das was die Kunst leisten kann, wenn sie sich einschaltet. Dieses zu garantieren und zu ermöglichen ist Aufgabe des Staates, der so oft beschworenen Zivilgesellschaft und aller Akteure, die im Dienst der Kunst tätig sind, also Kuratoren, Galeristen, Kunstkritiker und Direktoren. Die Intervention von Peter Baldinger in der Hofburg bietet eine Gelegenheit daran zu erinnern.

In der schwarzen Adlerstiege des leopoldinischen Traktes der Hofburg wird temporär die Geschichte Österreichs in der Interpretation von Peter Baldinger in den Deckenfeldern des Stiegenaufgangs zu sehen sein. In das historische Ambiente, den Amtssitz des Bundespräsidenten, wird über zeitgenössische Bildsprache die Geschichte des Landes vermittelt. Die Übertragung verläuft hier nicht über die üblichen, didaktischen Kanäle, keine Informationstafeln, keinen Geschichtsunterricht im herkömmlichen Sinn. Über verpixelte Bilder erhält der Besucher einen Eindruck, eine Idee, die über den Ort und das Land Auskunft gibt. Baldinger zerlegt Historienbilder bis zur Unkenntlichkeit, reduziert sie auf Farbfragmente und die vage Idee von Geschichte.

Bei der künstlerischen Intervention handelt es sich immer um eine Reaktion auf eine vorgefundene Situation. Dabei kann der Künstler unterschiedliche Strategien verfolgen: Zum Einen fügt er sich in das Ensemble, sodass es dem Besucher kaum auffällt, dass sich ein zeitgenössisches Element in das historische Ambiente geschlichen hat, gleichsam einem subversiven Akt, einer Appropriation durch den Künstler. Die gegensätzliche Strategie bestünde in einer Geste, die dem Besucher sofort verdeutlicht, dass hier ein Eingriff vorgenommen wurde. Beides zwingt den Betrachter, in der Hofburg zumeist Staatsgäste aber im Rahmen der offenen Türe am Staatsfeiertag auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger Österreichs, seine Beobachtung zu schärfen und Position zu beziehen, manchmal auch seine Denkgewohnheiten und Sichtweisen in Frage zu stellen.

Darüber hinaus ist die künstlerische Intervention aber auch ein Bekenntnis zur Bedeutung von Kunst und Kultur, in einem Land, das international vor allem für seine kulturellen Leistungen anerkannt wird. Durch die Intervention von Peter Baldinger wird gleichsam ein Bogen vom Barock bis in die Gegenwart gespannt, die Hofburg, die für die traditionsreiche Geschichte Österreichs steht, ist im Heute angekommen.

WEEPING WOMEN – INTERVIEW

Peter Baldinger im Interview zu seinem Werk, seinem Zugang und der Klammer seiner Serien. Ein wenig lässt er in die Zukunft blicken.

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Toni Faber und Peter Baldinger über Kunst und Tod. Viele Anstrengungen der Menschen lassen sich als Versuche deuten, den Tod zu überwinden und etwas zu...