Ausstellung. Ein leises, aber intelligentes Spiegelspektakel im ehemaligen Privatgarten des Prinzen Eugen: Peter Baldingers Installation,,Paradise Diffusion Cube”.
Spiegelnden Oberflächen sollte man in der Kunst mit Skepsis begegnen: Daziss, dem in seine eigene Schönheit, sein eigenes Spiegelbild verliebten Flussgottsöhnchen. Es gibt verschiedene Versionen der Geschichte, in jeder endet Narziss tot, in mancher tatsächlich als Narzisse. Womit der Bogen in den privaten Garten des Prinzen Eugen gespannt werden kann, in den Garten am Rennweg, den intimen Kammergarten hinter der Orangerie, neben dem Unteren Belvedere. Hier lebte der Prinz seine botanischen Lüste aus, sammelte über sein diplomatisches Netzwerk exotische Pflanzen, Palmen, Kakteen, Maulbeerbäume, aber auch Blumen, etwa jene, die durch die Türkenkriege nach Wien kamen, botanische Immigration also, Tulpen, Schwertlilien, Hyazinthen, aber auch Narzissen.
Alle diese barocken Augenfreuden wurden heuer allerdings aus den schmucken Rabatten gefegt. Plötzlich wuchert hier das derbe Kraut, Grünkohl, Mangold, Paradeiser. Was weder einer Umwidmung zum Urban Gardening geschuldet ist, noch vom Verfall der Sitten nach Auflösung der Bundesgärten Abteilung (jetzt Gartenbauschule Schönbrunn) erzählt. Im Gegenteil, von der abgegangenen Bundesgärten Direktorin Brigitte Mang ist der Künstler Peter Baldinger (geboren 1958 in Linz) noch eingeladen worden, gemeinsam mit dem Gemüsebauexperten Wolfgang Palme hier zu intervenieren, so wie schon 2012, als (zumindest) aus Vogelperspektive ein gepixeltes, also in einen groben Raster aufgelöstes Beethoven-Porträt aus der Bepflanzung eines der großen Beete entstand. Baldinger ist der Chefgrafiker von Agnes Husslein und anscheinend der Lieblingskünstler von Mang, beides wohl nicht die besten Voraussetzungen für die Karriere, die er sich verdient hat: Er bewährte sich mit großen Projekten im öffentlichen Raum, etwa mit einem (ebenfalls verpixelten) Gekreuzigtem als Fastentuch für den Stephansdom. Oder mit der Ausstattung der Adlerstiege der Hofburg mit abstrakt wirkenden Historiendeckengemälden, die nur auf dem Handybildschirm wieder klar erkennbar wurden.
Das Blatt auf der Spiegeloberfläche Die Verunklärung des Menschenbildes, des Narzissenbildes ist seine Sache. Baldinger wirft sozusagen das Blatt auf die glatte Wasseroberfläche und das Selbstbild verschwimmt. So tut er es in seiner Malerei, so tut er es bei dem übermannshohen Spiegelkubus, den er auf die zentrale Wegkreuzung des Kammergartens gestellt hat. Die Spiegelflächen wirken wie gehämmert, irgendwie mehrfach geknickt, jedenfalls wirkt das Abbild so verschwommen wie in unruhigen Gewässern. Wasser war immerhin wesentlicher Bestandteil des barocken Gartenspektakels.
Hier wird es wieder zu einem Spektakel, zu einem hochmodernisierten – fast wirkt es, als ob das gleißende Wasser hier zur Skulptur, zur abstrakten Skulptur, zum Rechteck, letztendlich zum Pixel gefroren wäre. Womit wir wieder bei Baldingers Pixelbildern wären. Vom Ziergarten zum Nutzgarten zum Kunstgarten gehen hier die Gedankensprünge.
Zum Paradiesgarten für Bobos, für kommunale, urbane Hobbygärtner könnte man weiterdenken, liest man den offiziellen Titel dieser,,leisen Intervention”,,,Paradise Diffusion Cube”. Das Spiegel-Selfie mit Artischockenpflanze, hochgezüchteten Bohnen und Melanzani ist Verlockung. Man darf auch naschen, erfährt man, nicht einmal verbotene Früchte sind hier ernst zu nehmen.
Auch das verlorene, das „Lost Paradise”, ist schon bereitet. Anschließend an die nur noch bis 25. August hier pflanzlich wuchernde und optisch wabernde Installation eröffnet Baldingers gleichnamige Ausstellung in der Kugelschreiberfabrik in Hernals, hier wird man im Darkroom dem Spiegelkubus wieder begegnen, allerdings wieder in anderer medialer Erscheinung. So far.
Foto: © Peter Baldinger
Text: © Almuth Spiegler | Die Presse 18. August 2016
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